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Episode 50: Verborgene Pfade

Der Himmel über dem Sankelmarker See war an diesem Nachmittag wolkenverhangen. Eine kühle Brise zog durch das Dorf, ließ die Blätter an den Bäumen rascheln und brachte eine seltsame, fast elektrische Spannung mit sich. Anna stand mit den Kindern an einem alten Holzzaun am Rand des Sees, den Blick auf die sich kräuselnde Wasseroberfläche gerichtet. Seit der Entdeckung der Glocke hatten sie viele Fragen beantwortet – aber noch mehr neue Fragen aufgeworfen.

„Ich habe das Gefühl, dass wir uns zu sehr auf die Glocke konzentriert haben,“ sagte Anna nachdenklich. „Ja, sie ist wichtig, aber was, wenn sie nur ein Teil eines größeren Rätsels ist?“

„Du meinst, es gibt noch mehr?“ fragte Finn.

„Vielleicht nicht nur eine Glocke, sondern eine ganze Geschichte, die vergessen wurde,“ sagte Mia. „Etwas, das nicht nur mit dem See, sondern mit der ganzen Umgebung zu tun hat.“

„Dann sollten wir unsere Nachforschungen ausweiten,“ schlug Lukas vor. „Wir haben uns so sehr auf den See konzentriert – aber was ist mit Flensburg? Oder Schleswig? Oder Großsolt?“

„Stimmt,“ sagte Lea. „Vielleicht gibt es dort Hinweise, die uns helfen könnten.“

„Wir könnten in alten Archiven nachsehen,“ schlug Mia vor. „Es gibt in Flensburg das Stadtarchiv – vielleicht gibt es dort alte Karten oder Aufzeichnungen, die mit unseren Funden übereinstimmen.“

Bevor sie weiterreden konnten, bemerkten sie, dass sich am Marktplatz des Dorfes eine kleine Gruppe von Dorfbewohnern versammelt hatte. Fischer Petersen stand mit verschränkten Armen, während einige ältere Männer und Frauen aufgebracht miteinander sprachen.

„Was ist da los?“ fragte Finn.

„Ich habe das Gefühl, dass wir es bald herausfinden werden,“ sagte Anna seufzend.

Als sie näher traten, hörten sie Wortfetzen aus der hitzigen Diskussion.

„…es ist nicht normal, dass der See sich so verhält!“ sagte Herr Jansen, der für seine dramatischen Geschichten bekannt war. „Früher war alles ruhiger, bevor sie angefangen haben zu graben!“

„Vielleicht gibt es eine Erklärung,“ entgegnete Herr Petersen. „Aber wir müssen mit Bedacht vorgehen. Wir können nicht einfach alle Gerüchte glauben.“

„Und was ist mit den Lichtern? Den Zeichen? Der Glocke?“ mischte sich eine ältere Frau ein. „Das alles begann erst, als sie anfingen, die Vergangenheit ans Licht zu holen!“

„Wir bringen doch nur heraus, was schon immer da war,“ warf Lukas ein.

Herr Jansen schüttelte den Kopf. „Und was, wenn das nicht gut ist? Manche Dinge sollten verborgen bleiben.“

Anna seufzte. „Niemand will dem Dorf schaden. Wir versuchen nur, Antworten zu finden.“

„Dann tut es nicht allein,“ sagte Frau Meier streng. „Wenn ihr wirklich weiterforscht, dann mit uns. Die Vergangenheit gehört uns allen.“

Es war ein Moment der Erkenntnis. Das Dorf begann zu verstehen, dass die Geschichte des Sees nicht nur Anna und den Kindern gehörte – sondern der gesamten Gemeinschaft.

Während sich die Dorfbewohner langsam auflösten, sprachen Anna und die Kinder weiter über ihre nächsten Schritte.

„Also gut,“ sagte Anna. „Wir weiten unsere Suche aus. Flensburg, Schleswig, Großsolt – wir werden sehen, was wir dort finden.“

Die Kinder nickten entschlossen.

Der Sankelmarker See lag ruhig vor ihnen. Doch sie alle wussten, dass dies erst der Anfang war.

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